Von Chacha, Ostri und Zeugen Jehovas: Unerwartete Party in Ushguli

Die letzten Tage waren hart. Hart für unsere Leber. In Mestia haben wir so viele, liebe Menschen getroffen und jeder Abend wurde zum Fest. Nun sind wir gerade in Ushguli angekommen und haben einen traumhaften Stellplatz gefunden. Vor uns ein saftig grünes Tal an dessen Ende sich der mächtige Shkhara Gletscher erhebt. Um uns herum keine Menschenseele. Perfekte Voraussetzungen für einen ganz gemütlichen, ruhigen Abend zu zweit.

Essen, Aussicht genießen und anschließend Kino Abend in traumhafter Kulisse. Doch kaum fertig mit Essen, rollen drei große Pickups auf unsere Wiese und parken. Einige Männer steigen aus und beginnen ihre Zelte aufzuschlagen. “Das war´s wohl mit der Ruhe,” sage ich genervt. Kurze Zeit später klopft es an unsere Türe, als ich öffne, blicke ich in die großen, freundlichen Augen eines älteren Georgiers. Dieser reicht mir einen Becher, randvoll mit durchsichtiger Flüssigkeit und meint: “Cha Cha for you”. Verdutz blicke ich ihn an, bis ich die Situation begreife und antworten kann, ist er schon fast wieder verschwunden. Ich halte einen 0,4 Liter gefüllten Becher mit hochprozentigem Schnaps in der Hand.

Einfach wegschütten? Das kommt bei einem Geschenk wohl kaum in Frage. Wir ergeben uns unserem Schicksal und nippen vorsichtig. Stark, extrem stark. Pur für uns nicht zu genießen. Wie wir irgendwann erfahren, wird der Cha Cha fast immer selbst gebrannt. Je nach Brennmeister hat er dann zwischen 50 und 85 %!!!

Zufälligerweise haben wir einen angebrochenen und viel zu süßen Kirschsaft im Kühlschrank. Mit unserem Cha Cha - Kirsch gehen wir zu den Männern und bedanken uns. Diese schauen ungläubig auf unsere Mischung und wollen uns direkt mit Schnaps nachschenken. Dankend lehnen wir ab. Aber setzten müssen wir uns unbedingt. Das Camp ist mittlerweile vollständig errichtet, genau rechtzeitig bevor es zu regnen beginnt. Wir sitzen unter Planen, unterhalten uns mit Händen und Füßen, ein paar Brocken Englisch und noch mehr Russisch, irgendwie kommen wir klar und verstehen uns gegenseitig. Vielleicht trägt auch der Schnaps zur Verständigung bei.

Die Männer schneiden Knoblauchzehen klein und essen sie mit Brot, wir sollen uns auch bedienen. Dass wir gerade erst gegessen haben, wollen sie nicht verstehen. Dann wird über dem Feuer gekocht. Es gibt Ostri, ein georgisches Gulasch. Während sich die einen ums Essen kümmern, holt ein anderer eine kleine Gitarre und spielt, während wieder andere dazu singen. Zwischendurch wird angestoßen und darauf geachtet, dass wir auch immer etwas zu trinken haben. Und dann gibt es das leckerste Ostri, dass wir in ganz Georgien hatten. Denn auch hier wurde ein: “nein, danke”, einfach nicht verstanden. Bis spät in die Nacht tanzen, singen und feiern wir mit den Männern, die übrigens Zeugen Jehovas aus Tbilisi sind und gerade einen Männerausflug in die Berge machen.

Die Supra

Georgische Feiern sind etwas ganz besonderes, denn ihre Tischkultur ist einzigartig auf der ganzen Welt. “Der Gast ist ein Geschenk Gottes”, besagt ein georgisches Sprichwort, daher stehen die Chancen, selbst zu einem Supra eingeladen zu werden, nicht schlecht.

Ein Supra beschreibt die Festkultur des Landes. Es gibt viele Leckereien zu essen und natürlich Wein in großen Mengen. Zu Beginn ernennt der Gastgeber einen Redner - den Tamada. Dieser ist nun dafür verantwortlich, dass sich jeder am Tisch wohl und einbezogen fühlt. Alle haben ein volles Weinglas vor sich, nun beginnt der Tamada mit seiner ersten Rede. Im Anschluss erklingt von allen Seiten: “**Gaumardschoss, Sei siegreich!”** und man trinkt und isst. Kurze Zeit später sind die Gläser bereits wieder aufgefüllt und der Tamada erhebt sich erneut zum Trinkspruch, Gaumardschoss und weiter geht’s. Dies wiederholt sich nun gefühlt alle 5 Minuten.

Der Tamada muss trinkfest sein, denn er sollte sein Glas jedesmal leer trinken und bis zum Schluss geistreiche, witzige und originelle Trinksprüche zum besten geben. Der erste Toast wird im Namen Gottes ausgesprochen, anschließend geht es um die Familie, die Ahnen, das Vaterland und auch die Gäste werden mit einbezogen.

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Georgien-Feiern

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