Auf Bestellung beim Universum

Wir waren bereits seit vier Wochen in Estland unterwegs und auch wenn uns das Land sehr gut gefällt, dürstete es uns dennoch nach etwas Neuem. Da ein Freund jedoch in wenigen Tagen in Tallinn sein würde, wollten wir die Chance nicht verpassen ihn dort zu treffen. Also wie die letzten Tage verbringen? Ich hätte gerne etwas geplant, wenn ich weiß was wir vor haben, kann ich mich am Abend bereits gedanklich auf den nächsten Tag vorbereiten und mich darauf freuen. Micha ist da mehr der spontane Typ. Da ich aber lernen will, mehr im Hier und Jetzt zu sein und außerdem mich in Geduld zu üben, was bisher auch nicht zu meinen Stärken gehört, fuhren wir einfach mal drauf los. Noch kurz tanken und einkaufen und dann in den Soomaa Nationalpark, so entschieden wir dann ganz spontan. Weil wir oft keine Lust auf langes Stellplatzsuchen haben und sich die App Park4Night bisher in Estland bewährt hatte, suchen wir uns dort den nächstbesten Platz. Es handelte sich außerdem um einen RMK-Platz. Von denen gibt es unzählige in Estland. Es sind Plätze in der Natur in denen Feuerstellen oder gar ganze Grills vorhanden sind. Oft gibt es sogar Toiletten und auch Mülleimer, die Plätze sind meist mit dem Auto erreichbar und ideal zum Übernachten. Dieser war nicht allzu groß, aber dennoch ausreichend. Kaum standen wir wie gewünscht, fuhr ein weiterer LKW heran und stellte sich auf den Platz. Auch Deutsche, war ja klar. Ganz glücklich darüber war ich nicht, da ich das Alleinestehen bevorzuge und meist keine Lust auf fremde Gesellschaft habe. Dennoch kam ich natürlich mit um die Neuankömmlinge zu begrüßen und ihren LKW zu bestaunen. Wie sich schnell herausstellte, Gabi und Andi waren voll in Ordnung. Und das Beste: sie hatten auch noch einen Insider Tipp. Denn nicht weit von unserem Schlafplatz soll es eine Sauna geben. 2007 von Studenten gebaut und mitten im Fluss, heute leider an Land, da sie nicht mehr ganz so gut in Schuss sei. Benützen darf man sie jedoch noch, solange man sein eigenes Holz mitbringt. Das klingt vielversprechend. Die Zwei marschieren mal los um sie zu finden und zu inspizieren.

Wir machen uns noch einen Kaffee, dann will ich auch los, den Nationalpark erkunden. Bewaffnet mit Kamera wollte ich gerade gehen, als noch zwei weitere Kastenwägen auf den Platz fuhren. Ich war genervt. So ein kleiner Platz und jetzt quetschen die sich auch noch dazu. Wieder Deutsche und Holländer. Wir überlegen uns einen Schlachtplan. Wir werden, sobald ich zurück bin, umparken. Gleich zu beginn meiner Tour entdeckte ich zwei weitere RMK Plätze etwas weiter hinten und komplett leer, sehr gut. Die ersten zwei, drei Kilometer führte der breite, gekieste Weg kerzengerade durch den Wald. Dann ein Schild, was darauf stand wusste ich nicht, doch es zeigte auf einen deutlich schmaleren Weg in den Wald. Also los. Der Weg war richtig schön und ich genoss die Natur. Immer wieder musste ich meine Kamera einschalten um Details zu fotografieren. Da kürzlich mein Allzweckobjektiv kaputt gegangen ist, blieb mir nur mein Makro, aber nicht schlimm, hier gabs einige Insekten, Raupen, Blätter und Pilze die sich als sehr fotogen erwiesen. Jackson, mein lieber Begleiter, saß jedes Mal sobald ich mit der Kamera hantierte, egal ob es eine oder zehn Minuten andauerte, ganz brav neben mir und rührte sich erst wieder als es weiter ging. Dann irgendwann kamen wir einer Lichtung entgegen, die sich als Moorlandschaft erwies, sobald wir dort waren. Irgendwie richtig unwirklich dieser Anblick. Plötzlich noch mitten im Wald und dann auf einer komplett freien Fläche mit nur wenigen und recht kleinen Bäumen dazwischen. Durch das Moor führte ein Bretterpfad, etwas erhört, nicht allzu breit, aber perfekt um eine Runde durch diese Landschaft zu machen. Die Pflanzen im Moor waren gelblich was irgendwie an eine weite Steppe in Afrika erinnerte, fehlten nur noch die Elefanten. Der Pfad führte auch zu mehreren, kleineren Seen welche durch die Spiegelung der Wolken ein wunderschönes Fotomotiv abgaben.

Nach gefühlten tausend Bildern gings zurück in den Wald. Auf dem großen Weg angekommen, war ich sehr glücklich über diesen wunderschönen Spaziergang und dachte mir: jetzt würde es nur noch fehlen, dass ich ein Tier sehen. Und kaum habe ich den Gedanken ausgedacht, rennt ein kleines Eichhörnchen von rechts nach links über die Straße. Ich muss schmunzeln und erkenne meinen Fehler sofort. Mein Wunsch war einfach nicht präzise genug formuliert. Also ein weiterer Versuch, diesmal mit mehr Details: Liebes Universum, ich möchte auf meinem Weg noch einen Elch sehen. Dieser sollte auch nicht nur im Wald stehen, da die Bäume hier viel zu dicht sind, um ihn genau betrachten zu können. Der Elch sollte auf den Weg treten, damit ich ihn gut und deutlich sehen kann. Nachdem mein Wunsch nun besser formuliert war, lief ich weiter. Ich genoss die Sonnenstrahlen die durch die Baumkronen auf den Weg fielen und beobachtete die kleinen Insekten die im Licht tanzten. Eine große, innere Zufriedenheit stellte sich ein, ich war begeistert von dieser Natur, zufrieden mit meinen Bildern und einfach nur glücklich. Und dann plötzlich, keine 70 Meter vor mir, tritt ein riesiger Elch aus dem Wald, stellt sich auf den Weg und blickt mich an. Ich bin kann es nicht fassen, bin aufgeregt und ganz still. Jackson mach ich mal lieber an die Leine. Er sitzt ganz ruhig und brav neben mir, beobachtet, macht aber keinen mucks, zum Glück. Und ich? Ich kann es kaum glauben. Wir stehen alle einfach nur da, der Elch blickt mich an und ich den Elch. Es ist als würde er im Stillen mit mir kommunizieren. Hier bin ich nun und du kannst mich gern so lange betrachten wie du möchtest. Und genau das mache ich auch, wie lange wir so da standen kann ich nicht mehr sagen, irgendwann sagte ich gedanklich zu dem Elch: danke fürs vorbeischauen, nun können wir wieder unseres Weges gehen. Ich machte den ersten Schritt auf ihn zu und beinahe im selben Moment lief auch er ganz gemächlich über die Straße und verschwand auf der anderen Seite im Wald.

Bilder von diesem Moment gibt es keine, denn ich hatte ja weder das passende Objektiv dabei, noch wollte ich diese einzigartige Begegnung durch das Klicken meiner Kamera zerstören. Schon allein diesen Moment in Worte zu fassen ist schwierig. Ich habe es dennoch versucht und ich hoffe es ist mir gelungen dieses Erlebnis annähernd zu beschreiben. Nicht nur die Begegnung an sich, sondern auch mal wieder der Beweis: Je konkreter du deine Wünsche formuliert sind, umso wahrscheinlicher treten sie auch ganz genauso ein. Ob wir noch umgeparkt haben oder die Sauna gefunden haben, dazu bald mehr.

zurück

Lade uns ein...

Gefallen oder helfen dir unsere Texte? Möchtest du unsere Arbeit irgendwie honorieren? Lade uns doch zum Kaffee, auf ein Bier oder zum Essen ein.

Estland-Soomaa

zum Fotoalbum...