Micha

Immer brav an die Gutmütigkeit und Fairness des Systems glaubend, strebte ich immer nach noch höheren Abschlüssen, um bestmöglich auf das Berufsleben vorbereitet zu sein. Bis ich 30 war motivierte es mich irgendwelche Scheine vom Staat zu erlangen und so wurde zunächst ein promovierter Elektrotechnikingenieur aus mir. Doch kaum in der ersten, festen Anstellung angekommen, ging diese Strebsamkeit und grundlegende Motivation sehr schnell verloren. In der Industrie erschien mir nur noch wenig fair und wirklich sinnvoll. Scheine, Titel und gutes Einkommen hin oder her - irgendeine Arbeit den ganzen Tag lang für andere zu machen, um lediglich finanziell abgesichert zu sein und sich hier und da etwas zu gönnen, das erschien mir gar nicht mehr erstrebenswert.

So verging die Zeit eine Weile und ich tröstete mich mit kleinen Abenteuern durch den tristen Alltag. Ob bei der Freiwilligen Feuerwehr Brände zu löschen, im Segelboot die Meere zu entdecken, mit Fallschirmen aus Flugzeugen oder von Brücken zu springen oder einfach beim Reisen durch aufregende und spannende Länder – diese Erlebnisse liebte ich und ich wollte diese nicht nur an Wochenenden oder in zwei Urlauben im Jahr genießen können, sondern jeden Tag!

Auch beruflich wollte ich endlich wieder an etwas arbeiten, das für mich selbst ist, an etwas, in dem ich einen Sinn für mich sehen kann. Irgendwann erkannte ich, dass der Weg selbständig zu sein für mich die einzig richtige Lösung ist. Doch im Alltag fährt sich vieles schnell sehr fest und es ist schwer wieder aus diesen Sackgassen des Lebens auszubrechen. Eine Selbständigkeit nebenher aufzubauen blieb drei Jahre lang beim Versuch dabei es zu tun. Irgendeine gravierende Änderung musste dringend herbei, die mir die Zeit gibt eigene Ideen zu verwirklichen und die mir gleichzeitig nicht die Freiheit nimmt, das zu tun, wonach mir gerade auch ist. Frei zu sein und so unabhängig wie irgend möglich, war mir jeher sehr wichtig gewesen. Aber wie kann man so einen Zustand nur erlangen ohne auf gewisse Vorzüge des Lebens komplett verzichten zu müssen?!

Dann lernte ich Betty kennen. Ich hatte mir gerade meinen Marco Polo Camper bestellt, damit ich an den Wochenenden nicht mehr ständig zwischen Wohnung und den Fallschirmsprungplätzen pendeln musste, sondern dort, zumindest für 2,5 volle Tage und Nächte, leben konnte. Die gemeinsame Camping-Leidenschaft verschaffte uns natürlich zusätzliche kleine Kurztrips in unseren Bussen.

Eines Tages im Sommer 2020 bot sich mir eine tolle Gelegenheit an. Ein guter Freund startete ein Sabbatjahr und beschloss dies auf einem Segelboot zu verbringen. Er verkaufte das Auto, gab die Mietwohnung ab und kaufte sich eine gebrauchte Segelyacht. Wir waren beide längst leidenschaftliche Segler und waren bereits zuvor miteinander gesegelt, jedoch nur im Urlaub. Ich begleitete ihn für knapp drei Wochen. Wir verbrachten 16 wundervolle Tage auf hoher See und segelten zu zweit ohne Unterbrechung von Montenegro bis Marokko. Von diesem Leben und dieser Idee angefixt kehrte ich zu Betty zurück und fragte sie direkt, ob so ein Lebensstil, aber auf unbestimmte Zeit, auch etwas für sie sein könnte. Sie musste nicht mal darüber nachdenken...

Doch ein Segelboot und dessen Unterhalt kosten nun mal ein paar Euro und ich wollte nicht mehr darauf warten, bis ich mir das zusammengespart hätte. Ich wollte sobald wie möglich mich aus meinem Alltag befreien und ausbrechen. Ich war es Leid auf das „irgendwann mal“ zu warten. Man hat nur ein Leben und das vergeht schneller als einem lieb ist. Und so kam es zu jenem besagten Wochenende Ende Oktober im Saarland, an dem eine neue Idee geboren wurde…

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