Die Ruhe Schwedens Part 1

Alle anstehenden Arbeiten waren nun also erledigt und wir konnten uns endlich unserem eigentlichen Ziel widmen: Skandinavien. Von Thüringen gings Richtung Norden, natürlich nicht ohne den ein oder anderen Stopp. Einerseits um Freunden einen Besuch abzustatten, andererseits um die Gegend zu genießen. Schließlich begann ja jetzt das eigentliche Reisen ohne Termine die es einzuhalten galt oder jeglicher zeitlicher Begrenzung. In Lübeck mussten wir dann nochmal einen ungeplanten, längeren Stopp einlegen, da unsere Simmerringe der Hinterachse defekt waren. Wieder so ein unschöner, gezwungener Halt, der uns einen Teil unseres Reisebudget verschlingen würde und viel Zeit kostete. Denn erstmal eine Werkstatt zu finden, die bereit war, an unserem alten Fahrzeug herumzuschrauben, bzw. überhaupt jemanden zu finden, der sich noch mit richtiger Schraubarbeit auskennt, war mal wieder eine kleine Herausforderung. Ich war schon richtig genervt. Wir hätten schon längst wieder außerhalb von Deutschland sein können und endlich das Reisen genießen können, stattdessen hängen wir mal wieder fest und wissen nicht wie es weiter geht. Die Werkstätten haben uns teilweise auch echt Angst gemacht, da sie meinten, es könne sein, dass die komplette Bremse defekt ist. Und Ersatzteile gibt es dafür natürlich nicht mehr.

Doch wie eigentlich immer, wurde alles erstmal schwarzgemalt. Wir haben uns von den Aussagen hinreisen lassen uns Sorgen über Dinge zu machen, die noch gar nicht da waren. Und vor allem die am Ende nicht zutrafen. Im Sorgen machen sind wir Menschen nämlich alle gut. Wir malen uns Szenarien in der Zukunft aus, die niemals eintreffen und machen uns damit die Gegenwart kaputt. Im Nachhinein wurde mir das mal wieder klar und ich wurde wieder daran erinnert: sich im Voraus über Eventualitäten Sorgen zu machen verschwendet nur deine Lebenszeit.

Drei Tage später und mit etwas weniger Geld in der Tasche, dafür mit neuen Simmerringen für Simba ging es weiter für uns. Über Fehmarn mit der Fähre nach Dänemark. Dänemark war jetzt jedoch nicht direkt ein Ziel für uns, sondern liegt lediglich auf der Landroute nach Skandinavien. Doch wenn man dann schonmal da ist… einen kleinen Zwischenstopp haben wir uns doch nicht verkniffen. In Dänemark sind die Regeln zum Freistehen leider auch etwas strenger, weshalb wir mal wieder einen Campingplatz angefahren haben. Zwei Nächte nähe der Hauptstadt, direkt im Grünen. Einfach um kurz anzukommen. Dann ging es auch schon direkt nach Kopenhagen. Eine wunderschöne, friedliche, fröhliche und einladende Stadt, wie wir fanden. Jedoch auch sehr, sehr teuer. Wegen des Geldes und auch weil unser Dach plötzlich undicht war, sind wir bereits am nächsten Tag weiter. Erstmal zum nächsten Baumarkt. In Malmö. Über die Öresundbrücke haben wir die zwei Länder gewechselt. Eine fast acht Kilometer lange Brücke über das Meer die diese zwei Städte verbindet. Als wir noch zu Hause waren, habe ich oft die Serie „die Brücke“ geschaut. Ein Krimi in dem es genau um diese Brücke geht. Jedes Mal beim Vorspann war eine wunderschöne und ausführliche Drohnenaufnahme zu sehen. Und nun fuhren wir genau über diese Brücke. Ich hatte auch das Gefühl: jetzt geht es endlich richtig los, das „richtige Reisen“, alles worauf wir in den letzten 17 Monate voll Entbehrungen und harter Arbeitet hingearbeitet haben. Unser Traum beginnt nun endlich. Und genau deshalb ist diese Brücke, war dieser Weg, nicht einfach nur eine Strecke die es zu überwinden gab, sondern so viel mehr. Und mein Gefühl, dass sich jetzt alles ändert, bestätigte sich auch. Doch bevor es soweit war, mussten wir ja noch in den Baumarkt.

Breite Straßen und Einkaufgebiete mit Supermärkten, Baumärkten und sonstigen Shopping Möglichkeiten mit riesigen Parkplätzen davor (gut für unseren Simba), vermittelten uns ein bisschen Amerika Feeling. Im Baumarkt angekommen mussten wir uns erstmal zurechtfinden. Ich wollte nur schnell durch, das Nötige Material kaufen und schnell ins echte Schweden. Micha fühlte sich in einem neuen Land, in einem neuen Baumarkt, sichtlich wohl und wollte erstmal in Ruhe alles Erkunden und Bestaunen. Ich versuchte es mit Bauchatmung und Micha beeilte sich, dass wir eine Stunde später und noch halbwegs gut gelaunt, den Baumarkt wieder verlassen konnten. Natürlich mit allem was wir noch so benötigten, dank den hilfsbereiten Mitarbeitern vor Ort. Jetzt zum nächsten Gebäude, zum Supermarkt und Vorräte auffüllen. Was schnell klar wurde, die Preise sind deutlich höher als in Deutschland. Das Meiste kostet das Doppelte. Wenn man jedoch etwas preisbewusst einkauft und dann noch bedenkt was Simba wegsäuft (Diesel kostet in Schweden momentan 2,70 Euro pro Liter und für 100 km brauchen wir rund 22 Liter), kommt es darauf auch nicht an. Auf dem Weg nach draußen gab es dann noch einen kleinen Bäcker und unsere erste schwedische Zimtschnecke. Zwar nicht ganz so genial wie die, die ich aus Island in Erinnerung hatte, aber dennoch richtig lecker. Jetzt konnte es endlich zu unserem ersten Stellplatz in Schweden gehen. Natur, Ruhe uns Wasser, so war unsere Vorstellung. Über die App Park4Night haben wir bisher unsere Stellplätze gefunden, so wollten wir es nun auch machen. Die grobe Richtung war klar, sonst noch nichts. Also haben wir nur anhand der Bilder, die vorherige Nutzer gepostet haben, entschieden wo es hin gehen soll. Der erste, ausgewählte See war herrlich. Schon der Weg dorthin versprach viel. Fast zehn Kilometer ging es über eine Schotterpiste durch den Wald. Doch am See angekommen, schnell die ernüchternde Erkenntnis. Die Ruhe in Schweden suchen nicht nur wir. Jeder Platz, und davon gab es etliche, war mit mindestens einem, oft sogar mehreren Campern belegt. Vom Toyota mit Dachzelt über den guten, alten Bulli bis hin zum Standard Hymer war alles vertreten. Schnell weiter, so wollten wir nicht stehen. Auf dem Rückweg haben wir noch kurz einen Pössl rausgezogen der übermütig geworden ist und auf einem Parkplatz für Allradfahrzeuge parken wollte. Für unseren Simba natürlich kein Problem, weder das Rausziehen noch das Parken. Doch wie gesagt, wir wollten alleine stehen.

Ob wir doch noch fündig geworden sind, könnt ihr im nächsten Beitrag lesen…. Erscheint ganz bald.

Die Ruhe Schwedens Part 2

Nach einigen Fehlversuchen, entweder war eine Schranke die uns den Weg versperrte oder ein „privat väg“ Schild, wollten wir schon fast aufgeben und haben uns gedanklich damit angefreundet, nicht allein zu sein. Der nächste Weg führte links zu Häusern, rechts wurde er etwas abenteuerlich, jedoch noch befahrbar. Und nach weniger als 500 Metern standen wir direkt vor einem See. Ein kleiner Parkplatz mitten im Gras, eine Feuerstelle und ein festgemachtes Boot, sonst gab es nichts. Gehörte der Platz eventuell zu den Häusern weiter oben? Denn wer lässt sein Boot einfach so zurück? Und die Feuerstelle? Doch es war kein Schild, keine Schranke zu sehen. Wir wollten es wagen. Kurze Zeit später kam auch schon der erste Spaziergänger mit seinem Hund. Jackson war happy über den Spielgefährten und wir fragten den Mann ob er wüsste wem dieses Grundstück gehört und ob wir da stehen bleiben können. „In Schweden gilt das Allemansrätten, solange ihr niemanden behindert oder auf dessen Privatgrundstück steht könnt ihr überall übernachten. Klar könnt ihr stehen bleiben, so lange ihr wollt.“ Und dann verlies er uns wieder mit seinem Hund. Wir hatten den Platz ganze drei Tage für uns alleine. Einzig und allein die Straße war nicht allzu weit entfernt und somit hörte man hier und da ein Auto. Sonst war da nichts. Nur wir mit unserem Simba und die Natur. So hatten wir es uns gewünscht.

Doch bereits am zweiten Tag fingen wir an uns zu streiten. Irgendetwas war komisch. Und zwar genau diese Ruhe. Zu Hause rannten wir von einem Termin zum nächsten. Gingen jahrelang zum Arbeiten und hatten kaum Freizeit. Und wenn doch war diese gefüllt mit Freunde treffen, Fallschirmspringen, ausgehen oder Erledigungen zu denen man sonst nicht kommt. Und nun saßen wir an diesem wunderschönen Ort, hatten nichts zu erledigen und auch nichts zur Ablenkung. Wir konnten und mussten uns das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit wieder mit uns selbst beschäftigen. Und zwar nicht nur für ein paar Stunden, sondern über Tage. So frei von allem zu sein, ohne Aufgaben, ohne Ziele, ohne die nächsten Schritte planen zu müssen, waren wir beide wohl nur als Kinder. Ein Luxus mit dem wir erst wieder lernen mussten umzugehen. Unser Streit hat sich dann genauso schnell wie er kam auch wieder gelegt und wir haben erstmal nichts gemacht außer den Sonnenuntergang zu genießen und dabei über unsere Gedanken zu reden.

Wir waren plötzlich wirklich frei. Wir mussten noch nichts arbeiten und wenn wir wieder Geld benötigen können wir alles Mögliche machen. Und genau da liegt der Knackpunkt. Was will ich eigentlich? Plötzlich war da nichts vorgegebenes mehr, keine Schule, Lehre oder Studium die uns in eine Richtung drängen. Sondern nur was ich kann und was ich will. Für Micha war es zu diesem Zeitpunkt etwas einfacher, er hatte seine Richtung bereits gefunden, doch ich fühlte mich etwas verloren. Zu nichts konnte ich mich in den kommenden Tagen motivieren. Also einfach mal treiben lassen und genau das auch aushalten. Entspannen und lernen das Nichtstun und die Ruhe zu genießen. Es fiel mir alles andere als leicht. Ich hatte viel Zeit um endlich Projekte zu starten, hatte jedoch keinen Antrieb für Irgendwas. Ständig machte ich mich selbst verrückt, die Zeit sinnvoller zu nutzen. Und dieser Druck führte am Ende des Tages dazu, dass ich wie gelähmt war irgendwas zu schaffen und dann unzufrieden mit mir selbst. Ich musste wieder lernen loszulassen, die Stunden und Tage genießen, ohne mich verrückt zu machen. Keine ganz einfache Aufgabe.

Wir ließen uns weiter durch die schönen Wälder treiben und hielten hier und da für einen Stopp an einem See. Unsere Stellplätze wurden teilweise noch atemberaubender, teilweise mussten wir uns aber auch arrangieren, den Platz mit anderen teilen oder mal an unromantischen und überfüllten Parkplätzen übernachten.

Unser einziges, festes Ziel in Schweden war Stockholm. Da wir dort Besuch bekamen stand auch das Anreisedatum fest. Je näher wir Stockholm kamen, umso schwerer war es einen schönen Stellplatz zu finden. In Stockholm selbst war es dann wieder ganz einfach einen Parkplatz zu finden. Für gerade mal fünf Euro pro 24 Stunden standen wir relativ zentral. Stockholm ist eine schöne, eher ruhige Stadt, mit der man etwas Zeit braucht um warm zu werden. So empfanden wir es zumindest. Wir haben es genossen mal wieder raus aus der Natur und rein ins Leben zu kommen. Und für mich war es besonders schön, weil uns meine Mama besucht hat. Wir hatten uns schon sehr vermisst und die Tage deshalb umso mehr genossen. Irgendwie verging die Zeit dann doch viel zu schnell, obwohl wir fünf Tage zusammen hatten kam es mir vor als wäre es nur einer gewesen. Denn so schön das Reisen auch ist, seine Lieben zu Hause vermisst man dann doch auch. Nach einer emotionalen Trennung am Flughafen ging es für uns dann wieder zurück in die Natur. Wie ich diese Ruhe nach dem nächtlichen Trubel an unserem Cityparkplatz dann doch wieder genossen habe. Bewaffnet mit bezahlbarem Bier aus dem „Systembolaget“ (staatliche Läden in denen man Alkohol kaufen kann) haben wir den Abend auf einem Felsen mit Blick auf den nahe gelegenen See ausklingen lassen. Es vergingen keine fünf Minuten bis uns Schweden mal wieder überrascht und fasziniert hatte. Direkt vor unserer Nase schwamm ganz gemütlich ein richtig großer Otter. Wir konnten ihn beobachten wie er im Schilf verschwand. Immer wieder an diesem Abend kam er und drehte eine Runde durchs Wasser. Diese Tiere in freier Wildnis zu erleben war ein echtes Highlight.

Das nächste Highlight folgte dann bereits am nächsten Tag. In dem Ort, in dem wir gelandet sind, fand ein „Ami-Schlitten-Treffen“ statt. Die ganze Stadt war voll mit liebevoll restaurierten Chevys, Ford Mustangs oder Caddys aus den 1950 / ´60 er Jahren. In allen Formen und Farben waren sie auf den Straßen und präsentierten sich stolz den Zuschauern am Straßenrand. Mit unserem Simba konnten wir uns direkt einreihen und wurden mindestens genauso interessiert begutachtet. Tausend Bilder später konnten wir dann unsere Reise fortsetzten. Unser nächstes Ziel: Norwegen. Vorher gab es noch einen kleinen Zwischenstopp in Haverud um die spannenden Schiffschleusen zu sehen. Und dann konnten wir uns doch nicht so schnell von Schweden verabschieden und legten noch einen letzten Zwischenhalt an einem ruhigen und schönen See ein. Schließlich mussten wir nach der spannenden Zeit alles wieder in Ruhe für uns aufarbeiten. Die Schwedische Ruhe haben wir nun doch lieben gelernt und hatten sie die letzten Tage fast vermisst.

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